Lass uns zur Saarquelle fahren!

So oder so ähnlich kann ich die Quintessenz einer Jitsi-Session im Juni 2020 beschreiben. Theo und ich hatten gerade lockdownbedingt über ein Ziel für unser erstes self-supported Bikepacking-Abenteuer philosophiert.

Mit der Aussicht auf baldige Grenzöffnungen waren Vogesen und Pfälzerwald die interessantesten, möglichst nahegelegenen Gebiete für ein solches Vorhaben.

Da mir die nördlichen Vogesen durch Kurztrips zu Fuß, vom Klettern oder vom Mopedfahren her einigermaßen bekannt waren, warf ich den Gipfel des Donon als Ziel für den Trip in den Raum.

In zwei Tagesetappen ließe der sich prima über eine nördliche Annäherung erreichen und wir würden mit einer einfachen und anspruchslosen Fahrt am Saarkanal entlang entspannt an einem dritten Tag wieder nach Saarbrücken rollen können.

Als Bonbon würden wir mit der Saarquelle am Pass des Donon auch eine kleine Sehenswürdigkeit mit regionalem Bezug als besonderes Highlight und Ziel der Tour erreichen. „Da müssen wir uns dann auch keine Sorgen über die Wasserversorgung machen“ war mein Zusatzargument — hatte ich doch schon in meiner Jugend mehrfach Wasser aus dieser Quelle getrunken. Wie falsch diese Aussage in den Sommermonaten sein kann, sollten wir dann noch lernen.

Routenplanung

Ich bin ja so ein kleiner Routenplanungsjunkie und stürzte mich natürlich direkt in die Ausarbeitung. In den meisten Fällen nutze ich dafür einfach Komoot. Die grobe Streckenführung war schnell skizziert. Ich ging zunächst davon aus, dass wir die zweite Nacht an oder auf dem Donon verbringen würden und habe von dort aus angefangen den Rückweg nach Saarbrücken zu planen, ganz nach dem Motto: „Pick the low hangin‘ fruits first!“.

Rückfahrt

Die Rückfahrt würde großteils am Saarkanal entlang führen. Dazu zunächst westlich vom Donon über Abreschviller bis nach Gondrexange über Nebenstraßen und Radwege. Dann durch den Lac de Gandrexange, den Stockweiher und den Mittersheimer Weiher bis kurz vor Saaralbe am Kanal entlang. Um die Strecke ein paar Kilometer abzukürzen und um die Eintönigkeit des Kanals nicht überhand nehmen zu lassen, habe ich ab Saaralbe den Weg bis Sarreguemines ein wenig über Land geführt. Das würde zwar nochmal ein paar Extrahöhenmeter auf einer 130 Kilometer Schlussetappe bedeuten, aber es würde die Strecke sicherlich aufwerten.

Futter, Schlafen und Gedöns

Der Hinweg war schwieriger. Es galt einen Übernachtungsspot für den ersten Abend zu finden und Wasserstellen sowie Verpflegungsmöglichkeiten einzuplanen. Als grobe Wegpunkte dachte ich mir Bitche und Phalsbourg aus. Das würde uns dann von SB aus eher östlich führen, um dann auf Höhe Bitche nach Süden in Richtung Vogesen einzubiegen. Der grobe Routenvorschlag von Komoot bei Planungsoption Gravelbike ließ auf knapp 160km Strecke von Saarbrücken bis zum Donon schließen. Also suchte ich mir irgendwo zwischen Kilometer 70 und 120 zunächst potentielle Übernachtungsmöglichkeiten.

Dazu habe ich mit Openstreetmap und mit einer Schutzhüttenkarte [1] nach Schutzhütten in dem Bereich gesucht und im Wald von La Petite-Pierre auch zwei Möglichkeiten gefunden. Würden sich die als nicht vorhanden oder ungeeignet herausstellen, müssten wir halt irgendwo im Wald unterkommen. Als Verpflegungsmöglichkeit für den ersten Abend hatte ich dann einen kleinen Supermarkt in Wingen-sur-Moder ausgesucht. Das wären knapp 15km vor dem angepeilten Übernachtungsort. Zum Frühstück am nächsten Morgen böte sich dann Phalsbourg an.

Detailarbeit

Als nächstes ging es an die Feinplanung anhand des Routenvorschlags von Komoot unter Verwendung der festgelegten Stützpunkte. Da die Tour am ersten Tag durch eher zivilisiertes Gebiet führen würde, habe ich hier nicht so viel Wert auf potentielle Wasserstellen gelegt und nur eine in La Petite-Pierre eingeplant. Ansonsten habe ich einfach versucht, möglichst geradlinig über Forststraßen ohne große Schlenker zu routen. Ein paar Singletrails und Pfade mit völlig unbekanntem Charakter mussten zugunsten eines guten Routenverlaufs mit hereingenommen werden — wo bliebe sonst auch das Abenteuer?

Am zweiten Tag würden wir annähernd ausschließlich bergauf fahren. Da wir an der Saarquelle ja sicherlich genug Wasser hätten, habe ich nur noch eine Wasserstelle nach knapp 40km eingeplant, die auf Openstreetmap eingetragen war. Retrospektiver Pro-Tipp: Nicht auf OSM-Wasserstellen verlassen 😉

Am Ende stand eine Gesamtstrecke von 285 Kilometern und 3700hm , mit einer angedachten Aufteilung in ~90km (~1400hm), ~65km (~1400hm) und ~130km (650hm) als Routenidee fest.

Warmfahren nach La Petite-Pierre (Tag 1)

Am Freitag, 17. Juli sammelte ich Theo gegen halb zwei unter der Westspange in Saarbrücken ein und wir starteten an der Saar entlang Richtung Güdingen. Schon die Fahrt ab Fechingen links des Saarbachs bis hinter Eschringen wartete mit einem überraschend schönen Radweg auf, der mir bis dato unbekannt war.

Die Überschreitung des Höhenrückens nach Bliesmengen-Bolchen kostete schon die ersten Körner und ich erinnere mich an einen leicht fluchenden Theo, als wir die Räder sogar kurz schieben mussten. Bis Bliesbruck fuhren wir dann auf dem Saarland-Radweg, der hier sehr schön durch die Bliesaue läuft. Danach ging es über feinste Waldautobahn mit knackigem Anstieg durch den Haedewald, wo wir uns nach den ersten 30km eine kleine Verschnaufpause gönnten.

Die nun folgende Strecke über eine stark befahrene Nationalstraße mit irren französischen Autofahrer:innen bis hinter Rohrbach-lès-Bitche kann ich nun wirklich niemandem guten Gewissens empfehlen. Theo fand das Gaspedal und wollte da nur noch weg — zu meinem Leidwesen. Immerhin durfte ich eine ganze Zeitlang ein Exemplar des Prototyps „siebzigjähriger französischer Radrennfahrer“ hinter mir her ziehen, während ich mich die quälenden Anstiege hochkämpfte.

Schön tief in die Materie diven!

Nach 15 Kilometern hatte die Tortour dann ein Ende und wir erreichten die Ausläufer der Nordvogesen bei Siersthal, wo wir dann so richtig schön ins Abenteuer einsteigen konnten. Ab Siersthal steigt die Tour stramm auf den Bitscherberg, den wir dank einer Zwischenstärkung mit Gummitieren auch gut bezwingen konnten. Von hier aus ging es eine ganze Zeitlang über einen Höhenrücken über tolle Gravelpfade, Wiesen und Wälder und wir konnten schon an der ein- oder der anderen Stelle schöne Blicke auf kleine Mittelgebirgs-Fachwerkdörfchen werfen.

Zwischendurch stärkten wir uns mit ner Zweiliterbuddel Cola an einem Dönerstand im kleinen Örtchen Lemberg, von wo wir dann eine längere Waldetappe in Angriff nahmen, die mit durchaus anspruchsvollen, sehr sandigen Wegen und kleinen Trails aufwartete. Dass wir allmählich in einem schönen Flowzustand gelangten, bei dem wir schon im Genussmodus unterwegs waren, zeigte sich daran, dass wir eine Abfahrt verpassten und trotz GPS ein ganzes Stück in die falsche Richtung fuhren.

Wir haben richtig Bock!

Ich fühlte mich hier einfach nur sauwohl. Der Wald wartete immer mal wieder mit schönen kleinen Felsen, Hüttchen oder sonstigen Details auf, die wirklich nie Langeweile aufkommen ließen. Die ca. 5 Kilometer lange Abfahrt nach Wimmenau hob etwas den Adrenalinspiegel, weil Sand und grobes Gelände unsere ganze Aufmerksamkeit erforderten. Der Abschnitt ist trotzdem sehr zu empfehlen und wir hatten viel Spaß dabei. Unten angekommen rollten wir nach Wingen-sur-Moder zum Supermarkt, wo wir uns in der Abendsonne einen frischen Elsässer Flammkuchen aus dem Steinbackofen gönnten.

Gestärkt und mit Verpflegung bepackt nahmen wir die letzten 20 Kilometer in Angriff. Wir schlugen uns wieder in den Wald und wandten uns in Richtung Eckartswiller. Auf einem technischen Trail kam uns eine Rotte Mountainbiker entgegen, deren Mitglieder doch recht verwundert auf unsere bepackten Räder schauten. Meinten wohl, sie seien im falschen Film.

Ich hatte in La Petite-Pierre noch einen Wasserstopp eingeplant, wo wir aber nur einen völlig trocken gefallenen Brunnen an der Stelle vorfanden, an der laut Openstreetmap eine Wasserstelle sein sollte. Wir waren nun schon ziemlich durch und freuten uns schon auf unser Nachtlager. Das hieß es nun zunächst mal finden. Der erste Schutzhüttenstandort erwies sich leider als Fehlschlag. Die Hütte Le Hirschfels war nicht aufzufinden. Möglicherweise hatte ich die Routenplanung auch etwas verkackt. Die nächste Möglichkeit wäre Cabane du Breitschloss, die auf den Fotos im Internet als ein kleines Steinhäuschen auf einer Lichtung zu identifizieren war.

Untiere im finst’ren Tann…?

Es war wohl schicksalshafte Fügung, dass ich die Route dorthin noch neugierigerweise zum Rocher du Saut du Chien – dem Hundesprungfelsen geplant hatte. Mehrere hohe Sandsteinfelsen stehen dort am Talrand aus dem Wald heraus und sind mit Holzbrücken verbunden. Auf den Felsen stehend, eröffnet sich eine schöne — jedoch recht baumdominierte — Aussicht auf die umliegenden Gipfel. Der Legende nach springt an manchen Sommerabenden, wenn stürmisches Wetter Mensch und Tier beunruhigt, ein großer schwarzer Hund mit feurigen Augen von einem Felsen zum anderen [2]. Zum Glück war mildes Wetter — und wir wussten ja auch sowieso nichts von der Existenz dieses Hundes — so dass uns beiden direkt klar war: hier würden wir schlafen.

Theo hatte es irgendwie geschafft noch auf den letzten Kilometern seinen linken Latschen zu verlieren, wollte dann jedoch jetzt nicht mehr auf die Suche gehen. Die Nachtlager aufgebaut, ließen wir die Dämmerung auf den Felsen sitzend über uns hereinbrechen und den Abend bei Cola und Kaffee ausklingen. Hunger hatten wir nach unserem Flammkuchen überhaupt nicht mehr.

Nach diesem erlebnisreichen Tag mummelten wir uns zufrieden in die gemütlichen Schlafsäcke und genossen die Stille im Wald.

Die Bergwertung (Tag 2)

Wirklich sehr lang geschlafen hatte ich nicht. Das lag unter anderem daran, dass irgendwann um Mitternacht herum und noch bis eine ganze Zeitlang danach ein Hubschrauber meinte, in der Gegend herumfliegen zu müssen und dabei ziemlich nervte. Ich habe keine Idee, was der da gemacht haben könnte.  In der Morgendämmerung gegen sechs Uhr war es dann mit dem Schlaf vorbei und wir beide waren schon kurz vor Sieben aus den Schlafsäcken und kochten Kaffee. Der arme Theo hatte sich einen wirklich wunderbar exponierten Schlafplatz auf einem Felskopf ausgesucht, jedoch kaum schlafen können. Er muss das wohl noch ein bisschen üben 🙂

Nach dem Morgenkaffee machten wir uns auf den Weg Richtung Frühstück in Phalsbourg. Theo fand erfolgreich unweit des Felsens seinen Schlappen wieder, ohne allzuweit zurück fahren zu müssen. Als wir die Cabane du Breitschloss erreichten, waren wir dann froh, am Felsen genächtigt zu haben. Die Hütte war zwar offen und benutzbar, jedoch insgesamt weit weniger romantisch als unser Übernachtungsplatz.

Frühstück musst Du Dir verdienen!

Der Tag begann mit einer noch recht frischen Abfahrt ins Zinseltal. Die Herausforderung des Morgens war im Anschluss ein extrem steiler, schwer fahrbarer alter Fuhrweg, bei dem wir häufiger schieben mussten und ich zweimal von einem wandernden Pärchen eingeholt wurde. Danach folgte noch ein lustiger Singletrack an einem kleinen Bach entlang, bevor wir nach elf Kilometern am Phalsbourger Hauptplatz in die lokale Bäckerei einfielen und uns an Hefeschnecken und Schinkenbaguette gütlich taten.

Im örtlichen Supermarkt füllten wir unsere Flaschen auf und kauften noch ein bisschen Wegzehrung. Anschließend verließen wir Phalsbourg über einen immens felsigen Waldweg hinab zum Rhein-Marne-Kanal.

Sand und Aussicht

Am Kanal Richtung Saverne konnten wir nochmal eine schöne Runde vor uns hin ballern, bevor es durch den schattigen Wald zum Vogesenrandkamm hinauf ging. Eigentlich wollte ich oberhalb von Reinhardsmunster an einem mir bekannten Gleitschirmstartplatz vorbei fahren, und dort bei gutem Wind etwas verweilen und zuschauen. Leider hatte ich die Routenplanung hier vergniesgaddelt und sah nur einem Kollegen von unten beim Wegfliegen zu.

Zunächst ging es weiter am Vogesenrand über eine sandige Forststraße entlang, wo uns immer wieder wunderbare Ausblicke in die Rheinebene vergönnt waren. Im weiteren Verlauf gerieten wir dann auf einen sehr schmalen Trail, der fast drei Kilometer bergauf durch einen Kiefernwald führte — was einfach unwahrscheinlich viel Spaß machte.

Nach dreißig Tageskilometern erreichten wir La Hoube zur Mittagszeit, wo wir eigentlich einkehren wollten. Leider fand im Restaurant an der Straße nach Dabo eine Hochzeit statt, so dass wir uns statt in den Garten nur in den Innenraum hätten setzen können, worauf wir pandemiebedingt verzichteten. Auch ein weiteres Restaurant weiter unten im Dorf hatte nicht geöffnet, so dass wir unsere Mittagspause mit einer Trekkingmahlzeit auf einer Wiese am Dorfrand verbrachten. Davor und danach gab es — Ihr ahnt es — Gummitiere.

Devise: Trittfrequenz 60

Wir faulenzten noch ein wenig in der Sonne und wandten uns dann dem längsten durchgehenden Anstieg durch den Wald zum Col de la Schleif zu. Über diesen und weitere Pässe, die wir stets nur kreuzten, ging es insgesamt knapp zehn Kilometer nur bergan, was in der Mittagssonne auch nicht die leichteste Übung war. Die Steigung war glücklicherweise eher moderat und die Wege hervorragend, so dass es immerhin einigermaßen machbar war. Der Anstieg führt ein Stück lang oberhalb des Tals der Zorn entlang und streift auch deren Quelle, was mir aber erst im Nachhinein auf der Karte gewahr wurde.

Am Ancienne Maison Forestière du Grossmann, einem recht großen, aber unbewirtschafteten Forsthaus endet die Anstiegsphase zunächst. Hier ist meine Wasserversorgungsmöglichkeit eingezeichnet. Ich finde den Ort der „Quelle“ — jedoch ist es nicht mehr als eine Art trockengefallene Zisterne mit abgeschnittenen Leitungen und total verfallen. Also hier ist jedenfalls kein Wasser zu holen. Unsere Flaschen waren so gut wie leer. „Aber an der Saarquelle gibt es ja reichlich“ — schwöre ich uns beide auf unser Etappenziel ein. Leichte Zweifel wischte ich vorerst weg.

Da — am Horizont — das Ziel!

Nach 55 Tageskilometern erhaschten wir den ersten Blick auf den rot-weißen Sendemast auf dem Donon. Unser Ziel in greifbarer Nähe, hatten wir jetzt wieder richtig Bock und ließen über breite Forststraßen rollen. Am späten Nachmittag erreichen wir mit müden Beinen die Passstraße unterhalb des Donon.

Ich fahre mit gedämpftem Optimismus den buckligen Waldweg zur Quelle der roten Saar herunter, finde jedoch dort nur eine leere und trockene Einfassung vor — Verdammt!

Wir beschlossen als „Plan B“ zur Not zunächst zum Pass selber, und dann vom Berg abzufahren und uns weiter unten Wasser und Nachtlager zu suchen. Das fühlte sich wirklich absolut unbefriedigend an, aber was wollten wir ansonsten tun? Wir waren sogar schon ein paar Meter an der Abzweigung zum Waldparkplatz Col d’Entre Deux Donons vorbei und Richtung Col Du Donon unterwegs, als ein Campingbus in diesen Waldweg abbog und Theo die grandiose Idee hatte, den Menschen darin zu folgen und diese einfach um Wasser anzuschnorren.

Stay away from te owkwa!?

Wir erklommen den Anstieg zur (völlig verdreckten) Schutzhütte am Parkplatz zwischen dem „großen“ und dem „kleinen“ Donon und stellten erstmal alles beiseite. Möglichst freundlich begrüßten wir das deutsche Paar mit Hunden aus besagtem Wohnmobil und fragten freundlich nach Wasser.

Glücklicherweise wurde unsere Hoffnung erfüllt und wir durften unsere Flaschen mit frischem Wasser auffüllen lassen. Der nette Herr schaute zwar nach der vierten Fahrradflasche nicht mehr ganz so freundlich, aber wir hatten trotzdem noch einen netten Schnack mit den Beiden und kochten uns erstmal einen gemütlichen Kaffee.

Dann ging es die letzten 150 Höhenmeter zum Gipfel hinauf. Die letzten 300m hieß es hier: Fahrräder tragen, führt der Weg zum Gipfelfels doch über Buntsandsteinplatten mit hohen Absätzen zum Gipfelplateau.

Aber was war das doch für ein wunderbares Gefühl dann dort zu stehen! Neben dem seltsamen Tempelbau auf dem Gipfel machten wir uns jetzt erstmal frei von allem schwitzigen Krempel und genossen die Ankunft. Seltsamerweise war es geradezu gewimmelt voll mit Leuten hier oben. Das sollte sich leider auch nicht mehr geben, sondern eher noch steigern.

Astronomie galore!

Wir kochten uns zunächst mal ein fulminantes Abendessen Typ „Outdoorfutter Nudelgulasch“ und ließen es uns dort oben gut gehen. Anschließend erkundeten wir das Gipfelplateau mit dem Tempelbau und der fulminanten Rundumsicht. Viele Menschen hier oben schienen sich ebenfalls auf eine Übernachtung vorzubereiten, sahen wir doch zahlreiche Isomatten und Zelte. Dazu hatten die Stative und Kameras en masse dabei.

Irgendwann fand sich eine große Gruppe zu einem Foto zusammen und einem ausgebreiteten Transparent war zu entnehmen, dass es sich wohl um eine Gruppe von Astrofotograf:innen aus dem Großraum Lothringen handelte, die sich gerade heute hier zusammengefunden hatten, um wohl den Kometen Neowise zu fotografieren.

Wir schrieben uns dann erstmal ab, auf dem vorderen Plateau direkt unter den Sternen oder in dem kleinen Tempel nächtigen zu können und suchten uns im hinteren Bereich des Gipfels ein paar Felsplatten aus, wo wir unser Nachtlager einrichteten.

Theo trieb noch von einer Gruppe Leute tatsächlich zwei Gute-Nacht-Biere auf, die wir genüsslich in unserer Ecke tranken, während die Lichter von Straßbourg in der vor uns liegenden Rheinebene allmählich in der Dämmerung erschienen. Ein wunderbarer Abend, trotz Betrieb. Hoffentlich würde die Nacht einigermaßen erträglich werden.

Ausrollen nach Hause (Tag 3)

Dass sie nicht in unsere Schlafsäcke reingekrabbelt kamen — die Astronom:innen — war alles. Noch gegen halb Fünf wurde ich ein weiteres Mal von einer Gruppe Menschen mit Rotlicht und Stativ geweckt, denen es gefiel, direkt neben meinem Kopf ihr Gerödel in die Wallachei zu stellen und munter vor sich hin zu quatschen. Naja aber auch das ist ja irgendwie Abenteuer. Kurz vor sechs, inzwischen kaum mehr schlaffähig konnte ich selbst auch ein paar ganz wunderbare Handyfotos vom Morgenrot über Straßburg schießen.

Ich lag dann mehr oder weniger noch bis halb sieben einfach nur da und sah der erwachenden Welt zu. Eine großartige Stimmung. Dann lugte die Sonnenscheibe schon über dem fernen Schwarzwald heraus und es wurde instant gemütlich warm.

Wir trödelten noch ganz schön lange bei Morgenkaffee und Zeug Zusammenräumen herum und machten uns gegen acht Uhr an den Abstieg vom Gipfel.

Abwärts immer – Aufwärts nimmer!

Vom Donon hinab ging es fix über leichten Gravel in Richtung der Passstraße. Irgendwie schaffte ich es, mich und die Fuhre auf einem schlammigen Abschnitt schön in die Rabatte zu hauen. Glücklicherweise ging nichts zu Bruch und wir erreichten schnell den Abzweig zur Saarquelle, wo wir unser Beweisfoto aufnahmen.

Meine Routenplanung sah nun vor, einem Graveltrack parallel der asphaltierten Straße hinunter nach Abreschviller zu folgen. Jedoch deckte sich die Kategorisierung der französischen Waldrouten hier nicht mit unserer Definition von Spaß. Also quälten wir uns noch einen Kilometer über felsig-löchrig-bucklige Waldpisten bis zum nächsten Straßenzugang und nahmen dann den smoothen Asphalt unter die Räder und rollten lustig zu Tal. Als wir die junge Saar zum ersten Mal direkt sehen konnten, nutzten wir die Gelegenheit, dort noch unsere Flaschen zu füllen. Wie  aus so einer furztrockenen Quelle nach drei bis fünf Kilometern schon ein präsentabler Gebirgsbach entstehen kann, ist mir zwar ein Rätsel, kam uns aber sehr gut zupass.

Ein Stück später bogen wir wieder auf einen — jetzt besseren — Waldweg ab und gelangten irgendwann, nach einer unklaren Querfeldein-Passage zu den Schienen der Waldeisenbahn Abreschviller [3]. Diesen folgten wir (wohl unberechtigterweise) bis in den Ort und versorgten uns dort zunächst mal in einem kleinen Laden und einer Bäckerei mit allerhand Frühstücksmaterial.

Im Anschluss verschlemmten wir Camembert, französische Salami, Cornichons, Baguette und Croissants an einem Waldpicknickplatz am Ortsrand und tranken auch noch gemütlich Kaffee.

Kilometerfressen!

Über Radwege und Nebenstraßen ging es zügig zum Saarkanal und dann durch den Gondrexanger Weiher und den Stockweiher nordwärts. An einer Schleuse konnten wir uns an einer Bootswasserzapfstelle frisch machen und beliebig viel Wasser tanken. Wir setzten uns selbst eine Ankunftszeit in Saarbrücken, indem wir uns fernmündlich für halb Acht abends zum Essen verabredeten.

Wir ballerten stur am Kanal entlang bis wir bei Kilometer 72 in Bonnefontaine nordwärts abbogen und durchs Hinterland fuhren. Die wechselnden Anstiege fügten dann doch nochmal ein bisschen Arbeit hinzu, aber mit stoischem „Legnern“ kamen wir gut voran. Theo fand leider die ersehnte Cola nirgendwo an der Strecke, und so wurde er leicht grummelig.

Einige Verbindungswege zwischen den lothringer Bauerndörfchen stellten sich als schmale betonierte Fußpfade heraus, was mal eine wirklich nette Abwechslung zu breiten Feldwegen mit Kraftfahrzeugverkehr darstellte und nach  95 Kilometern belohnte uns der Etang de Welschhof bei Puttelange-aux-Lacs mit einem sehr schönen Nachmittagspanorama.

Der Mann mit dem Hammer

Die Route führte über einen wunderbar ausgebauten Radweg zum Lac de Woustviller hinunter — um dann an einem abgesperrten Tor zu enden. Ein wenig verwirrt und frustriert (weil wir gerade gemütlich zwei Kilometer bergab gerollt waren) pausierten wir erstmal und ich fütterte den zunehmend ins grantige abdriftenden Mitfahrer erstmal mit einem Energieriegel.

Half ja alles nix, also fuhren wir wieder weg vom Teich bergauf und dann über die Bundesstraße nach Woustviller. Mit Rücksicht auf Theos Hungerast beschloss ich dann, den direkten Weg nach Sarreguemines zu  nehmen, statt wie geplant noch weiter über Land zu fahren. Das hieß noch einmal einen Höhenrücken zu erklimmen, um danach runter zur Saar zu rollen.

Als Theos Rettung erwies sich dann ein Colaautomat in der Ortsmitte von Saargemünd. Nach gutem Zureden spuckte der auch wirklich zwei Kaltgetränke für uns aus und Theo konnte seinen Akku wieder aufladen. Plötzlich war da wieder ein ganz anderer Mitfahrer. Kraftstrotzend und glücklich konnte er wieder Tempo machen.

Fürstlicher Ausklang

Obwohl wir eigentlich gemütlich an der Saar bis Saarbrücken rollen wollten, hat uns irgendwas ganz schön angespornt und ich habe an dem Abend noch meinen persönlichen Zeitrekord von Sarreguemines bis SB aufgestellt.

Wir erreichten knapp hinter unserem Zeitplan den Ludwigsplatz in Saarbrücken und trafen uns dort mit einem bereits wartenden Freund zum Abschlussessen im Fürst Ludwig.

Glücklich schlemmend ging unser erstes Bikepackingabenteuer zuende.

Fazit

Die Tour kann als wunderbare Drei- oder Zweitagestour (für die etwas Härteren)  empfohlen werden. Je nach Jahreszeit solltet Ihr Euch etwas mehr Wasser als normalerweise mitnehmen, da gerade in dem Teilstück von Phalsbourg bis Donon wirklich nur wenige Wassermöglichkeiten an der Strecke liegen. Ein Gravelrad mit 35mm Bereifung (besser 40mm) empfand ich als optimal bei den sommerlichen Bedingungen. Es sind schon stellenweise einige MTB-lastige Trailstücke drin, die sich aber trotzdem noch ganz gut bewältigen lassen. Wildcampen ist in Frankreich offiziell verboten.

Ich habe unsere Routenplanung nach der Tour angepasst, so dass einige schlecht fahrbare Wege nicht mehr enthalten sind. Vor allem habe ich eine Alternative für die Bundesstraße bei Rohrbach-les-Bitche eingeplant, damit Ihr nicht so unter den Autos leiden müsst, wie wir. Ein klitzekleines bisschen unsicher bin ich mir bei dem in der Route eingezeichneten Offroad-Stück bei Reinhardsmunster. Ich bin sehr sicher, dass dort ein Weg existiert, weil ich mich daran erinnere, auch wenn er in OSM nicht erfasst ist. Falls nicht, nehmt einfach den leicht unterhalb verlaufenden Forstweg, den auch wir bei unserer Tour genommen haben.

Die kuratierte Route findet ihr unterhalb dieses Artikels. Wir würden uns freuen, wenn Ihr uns verlinkt, wenn Ihr die Route nachfahrt.

Meine Tracks von der Tour findet ihr auch auf Strava, sie sind unter der Komoot-Tour verlinkt.

Ganz am Ende findet Ihr auch noch ein paar Impressionen von unserem Trip in der Bildergalerie.

Happy Gravel

Jochen

[1] – Refuges.info – Schutzhütten in Frankreich
[2] – Le rocher du Saut du Chien
[3] – Waldeisenbahn Abreschviller